Es geht mir nicht gut. Schon eine ganze Zeit. Damit meine ich eine sehr lange Zeit.
Dabei habe ich mir doch Hilfe gesucht. Zwei Jahre war ich bei einer Psychotherapeutin, weil ich es allein nicht mehr geschafft hätte.
Es fühlt sich immer wieder an, als würde man auf dem Boden liegen und versuchen aufzustehen. Und gerade, wenn man es von allen Vieren auf die Beine geschafft hat, tritt einem jemand die Füße weg. Dann liegst du da und schaust den anderen beim Laufen und Rennen zu.
Also, wieder hochrappeln, Krone richten und weitermachen. Wenn man einmal hochkommen würde und sich auf beiden Beinen halten könnte. Manchmal bin ich es selbst. Dann habe ich mir beide Schnürsenkel zusammengebunden und stolpere über meine eigenen Füße.
Wieder aufstehen. Irgendwann muss es doch genug sein.
Und wieder schaust du anderen mein Rennen zu. Manche springen sogar. Dabei kennst du sogar viele von denen, die da rennen und springen. Sie begleiten dich ein Stück. Manchmal trifft man sich auch wieder auf der großen Wiese, wo alle springen und rennen.
Es ist schon komisch. Der Mensch ist ein soziales Tier. Alleine sein will niemand. Ich will nicht alleine sein. Ich brauche Menschen um mich. Menschen, die ich mag. Ich könnte jeden Tag für sie etwas neues kochen. Oder mich einfach nur mit ihnen unterhalten, Fahrrad fahren oder einfach nur schweigend neben ihnen sitzen. Solche Momente, die immer weniger zu sein scheinen, helfen mir, wieder auf die Beine zu kommen. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein. Vielleicht bin ich auch nicht allein. Wer weiß das schon.
Vielleicht habe ich irgendwann in meinem Leben auch einfach nur die falsche Abzweigung genommen. Den falschen Weg eingeschlagen. Vielleicht laufe ich ja nicht mit anderen auf der Wiese, sondern stecke einfach nur knöcheltief im Schlamm fest. Da herauszukommen und seine Schuhe anzubehalten ist nicht einfach.
Vielleicht sollte ich die Schuhe einfach zurücklassen und barfuß weitergehen. Besser barfuß, als nie wieder zu laufen.
Ich habe Tage, da bekomme ich das Gefühl, alle anderen sind weitergelaufen. Auf eine andere Wiese. Ich kann nur noch ihre Stimmen hören, während ich versuche, aufzustehen. Tja, irgendwann wartet man nicht mehr auf dich. Was soll ich jetzt machen? Warten, bis jemand neues vorbeikommt oder versuchen, den anderen hinterherzulaufen. Wenn ich nur endlich wieder vorwärts kommen könnte.
Sitzenbleiben ist doch auch keine Option.
Meine Gefühle. Seit Jahren.
Streit. Rücksichtslosigkeit. Allein sein. Allein sein. Allein sein. Wieder Streit. Oh, ein Schreiben vom Finanzamt. Die finden einen immer. Auch im Schlamm.
Meine Eltern sind gestorben, als ich noch zu jung dafür war. Es ging zu schnell. Ich habe es wohl nie richtig verkraftet. Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Aber ab und zu legt sich ein Grind über die Wunde.
Weißt du, wie es ist, unter Menschen und einsam zu sein? Geh mal auf eine Party, wo alle riesigen Spaß haben, aber keiner mit dir redet.
Und am Ende des Tages musst du trotzdem funktionieren. Für dein Kind. Eigentlich auch für dich. Erst dann, wenn du für dich da sein kannst, kannst du auch für andere da sein. Ich versuche es ja.
Oh, schon wieder ein Streit. Dieses mal etwas schlimmer, als sonst. Es wurde persönlicher. Gewöhnt man sich eigentlich an dieses miese Gefühl, Zielobjekt einer Abneigung zu sein?
Doch. Ich sollte barfuß laufen. Die Socken und Schuhe im Schlamm zurücklassen und barfuß laufen. Hosenbeine hochkrempeln und schauen, dass ich mit meinem eigenen Rhythmus vorwärts komme. Irgendwo da draußen wartet doch sicherlich eine Lichtung auf mich. Mit Sonnenschein und so. Hoffentlich muss ich nicht ewig suchen.